Psychosoziale Basics für das Requirements Engineering

Am 14.01.2020 hatte ich die große Ehre in Wien auf den Software Quality Days einen Workshop zum Thema Psychosoziale Methode und Instrumente im Kontext von Requirements Engineering zu geben.

Ich hatte die Inhalte zuvor in einem kleinen Video vorgestellt, das sich hier findet und natürlich auch den Workshop konzeptionell entsprechend vorberietet. Die Vorstellung mit der inhaltlichen Beschreibung findet sich hier auf der Seite der SQD, ich habe aber im Folgenden auch noch einmal die Beschreibung wiedergegeben.

Hintergrund

Nach meinem Studium hatte ich das große Glück in einem kleinen Startup anzufangen, in dem wirklich ganz außergewöhnliche Leute zusammengekommen waren. Es war die frisch gegründete ATEBIS GBR, später GmbH, noch später antevio sytstems bzw. mobility GmbH. Dazu habe ich hier ein paar Sachen erzählt und da lässt sich auch nachlesen, wie das alles in meinen Lebenslauf passt.

Der Gründungszweck damals war, dass die ATEBIS einen ansehnlichen Software-Dienstleistungsauftrag an Bord gezogen hatte, sprichwörtlich ein Stück Kuchen bekommen, das viel zu groß war, um es alleine vertilgen zu können. Damals suchten die Gründer Sebastian Thias und Mario Afholderbach im Freundes- und Bekanntenkreis nach Menschen, die Lust hätten zusammen zu arbeiten und dieses Projekt, ein vollumfängliches ERP-System in einem der deutschen Top-Stahlschneideunternehmen umzusetzen. Damals waren wir alle Mitte 20 und voller Enthusiasmus. Um das Ende vorwegzunehmen – Es ist gut ausgegangen, wir haben mit zwei Händen voll Leuten dieses Projekt mit einem halben Jahr Verzögerung zum geplanten Start (18 statt 12 Monaten) an den Start gebracht und – es läuft auch heute noch. Das Unternehmen setzte damals in guten Monaten zweistellige Millionen Euro um, in guten Jahren hohe zweistellige Millionenbeträge. Ein viele Tausend Tonnen starkes Lager hoch vergüteter Stähle wollte damals verwaltet werden. Abläufe logistischer, produktions-, auftrags-, fakturierungs-, bewertungs- und Buchhaltungsbezogener Art erfasst, abgebildet und implementiert werden. Reporting, Vor- und Nachkalkulation, Steuerung und Interkommunikation der Prozesse…ein kaum fassbares, komplexes Räderwerk von Abläufen und Zusammenhängen, das vollständig in Software Anforderungen übersetzt, entwickelt, getestet, mit dem Kunden evaluiert, eingeführt und unter Last begleitet werden wollte. 

Das es überhaupt geklappt hat, erscheint mir heute, nach 13 Jahren und vielen, vielen Tausend Stunden als Requirements-Engineer, Produktmanager, Projektmanager, Führungskraft und schließlich freiberuflicher Berater wie ein Wunder. Welches unfassbare Glück, welche geradezu aberwitzige Herausforderung da im Raum stand und am Ende nicht nur umgesetzt wurde, sondern sogar heute auf verschiedene Standorte verteilt eingesetzt noch immer im Einsatz ist, macht mich stolz und demütig. 

Ich weiß nicht mal recht, ob ich allen Beteiligten je richtig gedankt habe. Danke Sebastian, Mario, Dennis, Hendrik, Marcell, Jakob, Armin auch wenn unsere Wege später z.T. getrennt verlaufen sind.

Umsatzstarkes Industrieunternehmen und kleines Startup...Komplett ERP Software bei 0 anfangen und als Maßanfertigung, enges Zeitfenster...normalerweise geht das eher schief.

Ich habe mich immer gefragt, woran es gelegen hat, dass es am Ende unter so unwahrscheinlichen Bedingungen funktioniert hat und habe später – auch durch meine Ausbildung zum Psychosozialen Berater schließlich Antworten gefunden. Dazu aber weiter unten ausführlicher.

In einer späteren Phase meines Lebens habe ich Anforderungen für Softwaresysteme zur Steuerung von Carsharing-Prozessen in einer (rückblickend sehr ungesunden) Mehrfachrolle gestaltet und betreut.

Diese Systeme, die heute noch im Einsatz sind, bilden in vielen der weltweit führenden Carsharingunternhemen das technische Rückgrat für die Abwicklung des gesamten Betriebes. Angefangen von der Kommunikation mit Boxen in den Fahrzeugen über Buchungen von Fahrzeugen, hin zur Eskalation von Kommunikationsproblemen, über Konfektion von Daten, Backend- und Frontendgestaltung, UX, UI…all diese Dinge hatte ich die – aus heutiger Sicht für mich geradezu atemberaubende Ehre mit zu gestalten und zu entwickeln.

Dabei war ich Requirements Enginneer, Produktmanager, Scrum Master und oft auch Projektmanager für Groß- und Schlüsselprojekte in einem. Ich könnte wahrscheinlich ein Buch darüber schreiben, was ich in dieser Zeit alles erlebt habe, wie gut, wie teils wahnwitzig und schräg, wie großmütig, aber auch fordernd und zermürbend, quälend, geradezu zerreißend es für mich oft
war.

Am Ende wäre ich fast zugrunde gegangen daran, und doch, wie sich gezeigt hat, haben oft die (persönlichen) Krisen “die schönsten Töchter” …und so bin ich heute da wo ich bin.

Auch hier habe ich – zuerst in der Aufarbeitung der Scherben meines persönlichen Arbeitslebens und später in der Ausbildung zum Psychosozialen Berater immer wieder vor den Frage gestanden – Was war gut? Was war schlecht? Was hat funktioniert, was nicht und warum ? 
Wie kam das überhaupt, dass so viele und gewichtige Erfolge in kleinen, aber eben auch ganz, ganz großen Projekten und Produkten zustande kommen konnten. Ich bin auch hier zutiefst dankbar für das (teils auf mich geradezu blind wirkende) Vertrauen, dass ich erfahren durfte und durch das ich beitragen konnte.

Antworten auf die zuvor gestellten Fragen habe ich gefunden und genau diese Sammlung von Antworten habe ich mir vorgenommen im gegebenen Workshop zu verteilen, auszubreiten und dazulegen.
Auf das andere daraus lernen mögen, sich dafür interessieren, es ihnen zum Erfolg verhelfen möge.Aber wie macht man klar, was man dazu zu erzählen hat? Ich habe es so versucht:

Einreichungstext

Die Arbeit an Software-Anforderungen bietet besondere zwischenmenschliche Herausforderungen. Einer der Gründe dafür ist, dass hier die Kommunikation mit oft fachfremden Menschen eine zentrale Rolle spielt: Wer braucht was wofür? Wie funktioniert es heute, wie soll es in Zukunft funktionieren? Was ist wichtig, was nebensächlich, welches Detail wiegt wie viel, etc.?

Die Qualität von Requirements Engineering steht und fällt damit, wie zielgerichtet und konstruktiv es mir gelingt, in Kommunikation mit unterschiedlichsten Menschen und Persönlichkeiten zu treten, von ihnen zu erfahren, was ich wissen muss. Dafür nutzen wir stark unsere eigene Persönlichkeit und soziale Kompetenz. Das kann sehr schön sein und Spaß machen, bietet aber aufgrund der notwendigen persönlichen Nähe das Potential dafür, auch besonders belastend und frustrierend zu werden. Im Zweifel wird es zum Zünglein an der Waage für die Qualität des gesamten Projekts.

Aus dieser Sicht betrachtet, ist das Zwischenmenschliche die tragende Ebene
für die fachliche und inhaltlichen Arbeit mit und für Softwareanforderungen.
Klassische Ausbildungen im Software- bzw. Requirements Engineering Bereich lehren oft Techniken oder Vorgehensmodelle zur Erfassung und Ordnung von Anforderungen. Gewöhnlich lernt man (leider) wenig praktisch Anwendbares zum Umgang mit den herausfordernden zwischenmenschlichen Seiten dieser Arbeit. Insbesondere praktisch 
einsetzbare psychologische Werkzeuge zum Meistern sozialer und persönlicher Herausforderungen kommen oft überhaupt nicht vor. Hier schlagen wir uns gewöhnlich “mit dem, was wir so mitbringen” durch oder
“lesen mal ein Buch dazu“. Insbesondere im Umfeld agiler Entwicklungsmethoden ist aber gerade entscheidend, dass die Kommunikation der Anfordernden und Umsetzenden “auf der gleichen Wellenlänge“ ist.

In diesem Workshop geht es um die Arbeit mit und um die besagten menschlichen und sozialen Kompetenzen. Wir werden uns anhand von den
Teilnehmern mitgebrachten Problemstellungen aus der Praxis Problemsituationen und deren Hintergründe ansehen und herausarbeiten, welche Muster sich darin finden. Teilnehmer werden dann in der Manier eines Schweizer Taschenmessers eine Reihe von Werkzeugen kennen lernen, die es ermöglichen, konstruktiver mit schwierigen, anstrengenden und herausfordernden sozialen Situationen umzugehen, ohne dabei ihren Auftrag aus dem Auge zu verlieren.

Lernziele des Workshops

Lernziel 1: Kommunizieren, um Sachzusammenhänge zu erfahren

Wie kann ich den zwischenmenschlichen (kommunikativen, sozialen etc.)
Teil als Teil der Requirements Engineering Tätigkeit konstruktiver und
effizient einsetzen, um nicht als Hürde, sondern als Vorteil zu funktionieren.

Lernziel 2: Verfahren für Gelassenheit, Ruhe und Kommunikationsstärke

Herangehensweisen um bei Druck, Stress und Belastung weniger persönliche
Belastung zu verspüren. Kompetenzen erlernen, um gelassener und positiver
in und aus Kommunikationssituationen mit Hürden-Charakter hervorgehen
zu können. Werkzeuge und Instrumente kennen lernen, um in solchen
Situationen gelassen, offen und aufmerksam zu bleiben und trotzdem sehr
gute Ergebnisse für die Anforderungen des eigenen Projektes zu gewinnen.

Lernziel 3: Synthese 

Wie ich 1. und 2. so zusammenbringe, dass eine positiv verstärkende
Wechselwirkung eintritt und sowohl für mich selbst, als auch für die Anderen
im Projekt Beteiligten ein gutes, zielorientiertes, konstruktives Miteinander
entstehen kann, das den Charakter des Projekts zum Positiven verändert
oder eine Verschlechterung vermeidet.

Nutzen für die Teilnehmer

Am Ende des Workshops sollen Teilnehmer mit einem kleinen Satz an
“Bordwerkzeug” ausgestattet sein, welches hilft, gelassener, offener und
positiver in schwierige Situationen hinein- und klarer, sowie weniger belastet 
daraus hervor zu gehen. Das Ziel, Anforderungen sinnwahrend, sinngerichtet und wohlproportioniert über zwischenmenschliche Hürden hinweg zu gewinnen, soll Teilnehmern deutlich leichter fallen und vor allen Dingen mit erheblich weniger persönlicher Anstrengung und Belastung ermöglicht werden. 

Inhalte

Jetzt ist natürlich eine ganz schicke Spannungskurve zustande gekommen und Sie als (hoffentlich) geneigter Leser fragen sich wahrscheinlich was jetzt konkret mit in den Workshop, kommt ..wie der aufgebaut ist etc…

Am liebsten und am sinnvollsten hätte ich einen Workshop, der die Themen, die mir so wichtig und so zentral sind, wie oben beschrieben, als zwei- oder dreitägige Workshops angeboten. Natürlich liegt in der Notwendigkeit das alles auf 3 Stunden zu konzentrieren ein eigener Reiz und die Gelegenheit, wieder mal auf eines meiner Lieblingswerkzeuge zurück zu greifen: Ein Meta Leraning Set.

Das heißt, aus dem was ich so alles gerne vermitteln würde, kriegen die Teilnehmer das serviert, was für sie am wichtigsten ist. Für die spezifischen Teilnehmer, die eben kommen. Das ist schon Requirements Engineering, denn ich werde offen zeigen, wie ich die Anforderungen dessen, was am wichtigsten für die Teilnehmer ist, zu gewinnen gedenke und dabei Methoden einsetzen, die ich selber als sinnvoll verbuche.

Klar ist auch, dass der Teil des Requirements Engineering, bei dem man von psychosozialen Methoden am sinnvollsten profitiert, am ehesten der ist, bei der Interaktion mit Dritten am intensivsten ist bzw. am fokussiertesten vor oder nachbereitet werden soll und muss.

Die Frage ist ja: "Wo und warum nutzen Psychosoziale Methoden dem Requirements Engineer am Meisten?" Ich bin der Auffassung und habe die Erfahrung gemacht, dass es dort ist, wo die Interaktion zwischen den unterschiedlichen Parteien am Intensivsten und Häufigsten ist.

Wie genau der Fokus sein wird (zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Artikels weiß ich es ja noch nicht), hängt davon ab, was die Gruppe braucht und da sind wir schon fast direkt beim Thema. Es wird also einen Methodenwerkzeugkasten geben, wir werden diese Methoden direkt aneinander ausprobieren und welche dabei den Fokus haben …okay, ich wiederhole mich jetzt nicht.

Es ist ein bisschen wie, wenn man mit (hoffentlich) spannend aussehenden Werkzeugen aus einem Werkzeugkasten spielen und ausprobieren darf und dabei für sich herausfindet was einem im Moment am Ehesten nutzt, Ideen entwickelt und Vorstellungen dazu wie man das am Besten direkt morgen nach dem Workshop einsetzen könnte.

Werkzeugkasten

Diese Werkzeuge werden um ein Grundmodell angeordnet sein…

Das Modell des guten Grundes als Einstieg in die Wertorientierung

Menschen haben Werte.

Menschen nehmen Handlungen vor, um diese Werte zu verwirklichen. Man kann den Handlungen nicht ansehen, welchen Wertes sie dienen. Grundlage jeden Handelns ist die Verwirklichung der eigenen Werte, man könnte auch sagen die Selbstverwirklichung, also der Werte, die das eigene
Selbst ausmachen.

Den meisten Menschen fehlt eine klare Kenntnis, geschweige denn Ordnung ihrer inneren Werte. Oft auch eine entsprechende Orientierung. Zudem sind selten die notwendige Achtsamkeit und ein Moment-Bewusstsein gegeben, welche Handlungen warum wohl auf welchen Wert einzahlen. Oft ist das Handeln also eher ein „Stochern im Nebel“, wenn es darum geht, die eigenen Werte zu verwirklichen, man weiß, wenn man X macht, fühlt es sich richtiger an als Y oder man probiert eben was irgendwie befriedigt und was eher weniger. Dauerhafte Unzufriedenheit z. B. ist ein gutes Zeichen dafür, dass man irgendwie vorbei an dem handelt, was eigentlich hilfreich wäre, wichtige innere Wertgrundsätze zu verwirklichen.

Das alles wird dadurch erschwert, dass manchen Werten gesellschaftliche, soziale, moralische Normen im Weg stehen und man nicht gerade den Beliebtheitspreis gewinnt, wenn einem z. B. Wehrhaftigkeit oder das Erzielen finanziellen Gewinns als Orientierungshandlungen für die Verwirklichung noch tiefer zugrundeliegender Werte dienen.

Übrigens kann sich niemand seine Werte aussuchen und ein Wert ist immer etwas Gutes (das steckt schon im Wort, vgl. auch “Warum Wertorientierung”)

Und dann haben wir noch nicht über Wahrnehmungsfilter gesprochen. In dem Bild, das ich gerne bemühe, dass des Eisberges (regelmäßigen Leser kennen das schon zur Genüge) wird dieser durch die Wasserlinie repräsentiert, die das Sichtbare (die Handlungen) vom Unsichtbaren (den zugrunde liegenden Werte) trennt. Was ich also als Motivation für das Tun von Menschen unterstelle, hat maßgeblich damit zu tun, wie meine Wahrnehmung das Bild dieses Menschen formt. Es ist gar nicht so leicht Menschen, die man eher ablehnt, Motive zu unterstellen, die man sehr toll und unterstützenswert findet. Gewöhnlich filtert man das, was man zugrunde legt, wenn man sich fragt „Warum macht der das“ eher negativ. Behaupte ich mal. Wie geht das Ihnen so ? 
Wo wir also gerade beim Thema sind…

In Bezug auf Requirements Engineering (RE) Bedeutet das…egal was wir von Menschen erfahren, was wir entdecken, was geschieht, es ist immer etwas dahinter, ein treibendes Moment, das der Verwirklichung von etwas Wertvollem dient. Es ist von unschätzbarem Wert (man entschuldige das Wortspiel) danach zu graben und zu bohren und zu fragen, um herauszufinden, was das ist, welcher Wert dadurch verwirklicht werden soll.

Und das geht so – mit unserem RE-Methodenwerkzeugkasten:

Wahrnehmunsgfilter

Ein Bild sagt ja bekanntlich mehr als tausend Worte und das stimmt auch, leider sagt es auch eben genau das, was wir als Kontext für das Bild anlegen. Oder anders gesagt: Das was uns das Bild sagt, hängt davon ab, wie offen oder festgelegt wir in dem sind, was wir da sehen.

Das zu wissen und zu bemerken, bei sich selbst, aber auch bei anderen ist entscheidend für den Erfolg und das Gelingen von situativem Miteinander.

Ohne Wahrnehmungsfilter geht es nicht. Wohl aber dem, der versteht dass er die Dinge stets durch eine spezifische Brille anschaut und der diese auch bewußt - wenn auch nur zeitweise - abnehmen kann.

Bin ich von der Missgunst und Hinterhältigkeit der anderen überzeugt, wird jede freundliche Geste, alles was diese Menschen tun von mir hinterfragt werden und zwar danach worin nur ihre verborgene Agenda, ihr geheimer Masterplan – der natürlich schädlich für mich oder die Sache, die ich vertrete – besteht. „Wie werden sie es gegen mich verwenden?“.

Im Bezug auf RE habe ich selbst oft genug erlebt, dass ich Dinge, die gefordert oder gewünscht wurden, voreingenommen kritisch betrachtet habe, weil ich nicht davon ausging, dass die Anfordernden wirklich bereit wären ihre Wünsche zu relativieren, wenn ich ihnen erklärte, was das Problem daran ist. Die Lösungen, die man mir vorstellte, mir als Anforderungen verkaufte, habe ich nicht gut genug hinterfragt, da ich unterstellt habe, dass auf der anderen Seite nicht genug Abstraktionsfähigkeit oder Interesse oder was auch immer da war, um die Komplexität und Tragweite dessen, was da gewünscht wurde, absehen zu können. Und – das mag auch in einigen Fällen tatsächlich so gewesen sein. Irgendwann habe ich das verstanden und eingesehen, dass Ablehnung und Abwehr die falschen Mittel waren, um unsinnigen oder unklaren oder „heute-so-morgen-so-Anforderungen“ oder feature creep zu begegnen.

Ich hatte einen problematischen Umstand bemerkt, aber es half mir nichts, da ich erst lernen musste Selbstkundgabe zu praktizieren.    

Selbstkundgabe

Menschen deuten nonverbale Zeichen. Auch nehmen sie das was sie spüren, beobachten oder als Unterton whrnehmen als Modulation für das was sie als Information z.B. gesprochen erhelten her. Es ist hilfreich sich sozusagen selbst mit Untertiteln zu begleiten.

Man bemerkt sehr viele Dinge. Es gibt eine ganze Batterie an Sensorik, die wir als soziale Wesen mitbringen und die wir auf einen Feinheitsgrad hin optimiert haben, der tatsächlich wirklich ganz erstaunlich ist. Leider wissen wir oft nicht sofort warum wir ein Gefühl zu etwas haben, wieso uns etwas so oder so erscheint oder weshalb nur, etwas ganz komisch erscheint.

Auch haben viele von uns gelernt, dass es nichts wert ist, gar nicht echt, wahrscheinlich übertrieben, unangemessen und in die Sphäre des Alltagsabfalls gehört, wenn wir keinen rationalen Grund dafür nennen können, warum eine Sache so oder so ist. Wieso wir ein komisches Gefühl haben oder warum einem etwas irgendwie schräg vorkommt. 

Die Sphäre des Kognitiven, des Bewertenden, des Normierenden und des Kategorisierenden, Analysierenden ist vorgeschaltet. Per se ist es gut und wichtig, Dinge, Empfindungen, Gefühle zu bestimmen und beschreiben zu können, allerdings ist es ein gefährlicher Stolperstein dazu nicht zu
informieren.

Selbstkundgabe bedeutet in diesem Zusammenhang: Ich informiere zu dem, was in mir vorgeht, was mit mir vorgeht. Dazu gehört auch und darf ganz klar gehören – dass ich noch kein Ergebnis der Analyse habe, keine Erklärung, keine Interpretation oder Zuschreibung, warum etwas so ist, wie es ist, aber das es ist.

Das mir etwas unfertig oder noch nicht ganz fertig erscheint, ich aber noch nicht weiß warum, ist etwas das ich sagen kann. Natürlich mache ich mich angreifbar, da ich mich öffne und „Unfertiges“ kommuniziere. Man lernt ja, das Dinge, die man nicht erklären kann, eher stören und beseitigt
werden möchten – nur Erklärbares möchten wir bitte gerne behandeln…allerdings ist das nicht nur oft grober Unsinn (der im Übrigen in anderem Kontext auch nicht selten auf persönliches Unglück einzahlt), sondern auch wenig hilfreich. 

Sie möchten gerne einen Fortschrittsbalken haben und eine Ausgabe dazu, was gerade verarbeitet wird. Das sind Informationen, die Ihnen etwas Nutzen. Wohl dem, der sie im Miteinander kommunizieren kann, denn dies ist der Weg, in dem Sie nicht nur Vertrauen aufbauen (Sie öffnen sich), sondern auch ganz entscheidend dazu beitragen, mit Informationsdefiziten umzugehen:
Kommt Ihnen etwas seltsam, übertrieben, schräg, irgendwie…unfertig oder willkürlich vor, kann es durchaus sein, dass eine Störung vorliegt, weil z. B. Beteiligten wechselseitig Informationen vorliegen, Dinge nicht passig sind oder nicht weitgehend genug geklärt wurden.

Selbstkundgabe macht diesen zusätzlichen “Informationstrack” für Sie nutzbar und Sie, Ihr Projekt, Ihre menschlichen Beziehungen auf allen Ebenen profitieren maßgeblich davon, wenn Sie offen sind und Multitrack-mäßig sowohl Ihre Beobachtungen und Emotionen beschreiben, als auch Ihre kognitiven Folgerungen. Es braucht etwas Übung und die Formulierungen, die Art der Sprache
dafür mag gern geübt werden, einmal adaptiert und genutzt, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass es zu einem festen Bestandteil Ihres Kommunikationsrepertoires werden wird. Ein gern oft und ausgiebig genutztes Instrument.

Ähnlich ist es mit dem Ressourcing.

Ressourcing

Was zunächst ein wenig nach einem New-Age-Selbsterweckungstrend klingen mag, ist ein handfestes psychosoziales Werkzeug zum Umgang mit schwierigen Situationen. Die Idee ist es, das Problem als roten Faden dafür zu nutzen, zum Wert vorzudringen, mit dem Sie arbeiten können. Auch dies verlangt etwas Übung und oft den Wechsel der Perspektive.

Sagen wir es steht z. B. eine Option für den Umgang mit einem Problem im Raum, z.B. das Für und Wider der Frage, dass z. B. ein Auftragsobjekt in der zu planenden Software flexibel sein soll, auch nach Speicherung noch anpassbar, und eine Partei ist nicht bereit, darüber zu diskutieren. Nehmen wir an, diese Partei besteht darauf, dass einmal abgespeicherte Aufträge niemals wieder änderbar sein dürfen. Diese Entscheidung ist jedoch maßgeblich für das Design wichtiger Teile der Datenhaltungsschicht und Sie haben Bauchschmerzen bei der Vehemenz und Unnachgiebigkeit mit der das Thema (nicht) besprochen wird. Es schlägt die Stunde des Ressourcing.

Die Frage ist nicht, ob das Glas halb voll oder halb leer ist, sondern was daran, ob es wichtig ist ob es nun halb...leer oder voll ist...die Ressource ist.

Natürlich ist es hilfreich eine Idee zum Konzept der Wahrnehmungsfilter zu haben, um zu verstehen, dass die vehemente Ablehnung alleine eine derartige Frage zu diskutieren das Potential hat, durch einen Wahrnehmungsfilter entstanden zu sein.

Auch das Konzept des guten Grundes ist zentral: Etwas scheint der Person enorm wichtig daran zu sein, dass auf keinen Fall allein der Möglichkeit der nachträglichen Veränderbarkeit von Auftragsobjekten einen spaltbreit die Tür geöffnet wird. Als Kenner des Konzeptes des guten Grundes wissen Sie: Hier geht es der Person um einen Wert, der so zentral wichtig zu sein scheint, dass er auf jeden Fall herausgearbeitet werden und klar gemacht werden sollte. Nur wie? Ansprechen können Sie es über Selbstkundgabe. Sie haben gelernt wertschätzend zu artikulieren, dass es in Ihrer Wahrnehmung auffällig ist das Thema überhaupt nicht besprechen zu wollen. Dass sie es gerne aber verstehen würden. Und genau da steigen Sie ins Ressourcing ein.

Die Ressource in diesem Fall ist genau das, was sie anderenfalls wahrscheinlich als Problem beschrieben hätten – Da ist jemand und dem ist etwas (das Sie herausfinden werden) so entscheidend wichtig, dass er sich nahezu gewaltsam einem Gespräch dazu verweigert. Sie sehen diese Ressource und Sie nehmen die Situation, dem Umstand erst einmal als gegeben an. Sie wollen es aber gerne verstehen (vielleicht, um den Grund auch weiter im Projekt als Grundlage für Entscheidungen hernehmen zu können), um auf diesem Weg mehr dazu zu erfahren, warum es so wichtig ist, was da so wichtig ist, dass es unter keinen Umständen gefährdet werden darf.

Über das Problem, den Umstand, das Symptom als Ressource gelangen sie zur Ursache und somit dahin, die Information, die Sie brauchen gewinnen oder erhalten zu können.

Projektion bemerken

Menschen lernen aus Erlebtem und damit aus der Vergangenheit. Das ist gut, denn nur auf diesem Weg können gemachte Fehler vermieden, bekannte Gefahren abgewehrt werden. Leider kommt es vor, dass Dinge, die man lernt, später nicht im richtigen Kontext erhalten bleiben und somit
Schlussfolgerungen, Gefahren, Zusammenhänge an Stellen stattfinden, wo sie falsch sind. Projektion beschreibt ein solches Kontextproblem, bei dem die Eigenschaften eines Menschen einem anderen Menschen zugeschrieben werden, weil es in der persönlichen Historie desjenigen, der diesem Phänomen aufsitzt, Menschen gegeben hat, die auf ein Muster, auf das man auch in Teilen passt.

Es sei gleich einleitend gesagt, dass niemand von Projektionstendenzen frei ist und, dass es nicht selten in Situationen, in denen wir glauben jemand sei sicherlich auf eine bestimmte Weise oder vermuten, dass er bestimmte Eigenschaften hat, der Grund dafür Projektion ist. 

Gerne angeführte Beispiele sind, dass Menschen die z. B. äußerliche (weißer Bart und weißes Haar, gepflegtes Äußeres, deutlich älter etc.) Eigenschaften zugeschrieben werden, die vielleicht der eigene Vater, der letzte Chef oder der Lehrer in der Grundschule hatte, wenn die äußeren Merkmale
nur gut genug zur entsprechenden Person passen bzw. die erlebten Inhalte relevant genug sind…und damit sind wir auch schon am entsprechenden Problem: Da es sich meist um intensive Erlebnisse gehandelt hat, ist z. B. ein Abwehrverhalten oftmals entsprechend intensiv.

So kann es vorkommen, dass Sie aufgrund Ihres Äußeren (Anzug oder eben kein Anzug) oder bestimmter charakteristischer Verhaltensweisen (lacht viel bzw. schweigsam und blickt immer mürrisch) auch eine Reihe weiterer, eben nicht zutreffender Eigenschaften. Zugeschrieben bekommen. Man mag Sie für einen Business-Typen (wie eben die entsprechende Person das für sich
deutet) oder einen Yuppie halten, für einen Clown, eine Stimmungskanone oder einen typisch introvertiert misslaunigen Techniker. 

Tatsächlich vereinfachen Vorverurteilungen dieser Art den Alltag im Miteinander enorm und kein Mensch ist frei davon, andere (eben mehr oder weniger fix bzw. schnell oder langsam) in Schubladen einzusortieren.

Problematisch wird es immer da, wo es hinderlich ist, selbst entsprechende Zuschreibungen zu erhalten oder „man unzutreffend einsortiert wird“ bzw. die tägliche …z.B. Anforderungserfassungstätigkeit davon torpediert wird.

Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, derartige Verzerrungen und Einsortierungen durch ein Gegenüber zu bemerken und damit umzugehen. Beschwichtigungshandlungen um z. B. das Gegenüber zu überzeugen „man sei gar nicht so“ sind z. B. mit Vorsicht zu genießen.

Weiteres, genaueres und Details sowie Übungen zum „How-To“ gibt es im Workshop…auf den ich mich schon sehr freue 😀

Schlusswort

Natürlich ist das Alles erst mal theoretisch spannend und interessant und “aus dem Stand” – Heute im Workshop – morgen Live im Projekt für viele wahrscheinlich nicht so leicht einzusetzen.
Ich weiß wovon die Rede ist. Falls Sie also gerne Ihre Fähigkeiten, die Fähigkeiten ihres Teams oder Einzelner in der Richtung weiter trainieren möchten, freue ich mich durch Begleitung, Ausbildung oder Training im Unternehmen oder Projekt behilflich zu sein. Ich freue mich über Ihren Anruf oder Ihre Email.

Quellen und Links

Wikipedia zu

Selbstkundgabe, Selbstoffenbahrung, Ich-Botschaften

Wahrnehmungsfilter, Beurteilungsfehler

Projektion und Übertragung

Weiterführendes zu Wertorientierung

Nutzen für Organisationen

Bilder via Unsplash, bearbeitet via Adobe Photoshop von Janosch Felde

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